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Chapter 18 (transliteration): Der Krieg mit Spanien und die Deutschen

Achtzehntes Kapitel.
Der Krieg mit Spanien und die Deutschen.

Wenn die Deutschen dieses Landes sonst ihrer Gewohnheit nach unter sich uneinig sind, so macht doch ihre Stellung während der cubanischen Agitation und des in Folge derselben entstandenen spanischen Krieges eine entschiedene Ausnahme, denn im ganzen Lande, im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen, wo es Deutsche gab, da waren dieselben fast einstimmig gegen den Krieg. Sie erblickten in der Hetze gegen Spanien durch die Sensationspresse den Versuch gewisser Spekulanten, sich auf Unkosten des Volkes durch

Armee-Lieferungen zu bereichern.  Sie erkannten, dass die Eroberung der westindischen Inseln eine Unmasse Geld und Menschenleben kosten würde, und dass dieselben, wenn erobert, nur durch beständige Bewachung würden ruhig gehalten und kontrollirt werden können. Sie sahen, daß eine große stehende Armee dazu erforderlich sein würde, und eine solche bedeutet die Verwerfung der edlen Grundsätze, auf welchen Washington und Jefferson diese Republik gründeten.  Ja, sie erkannten in dieser Abweichung von der Lehre der Väter einen mächtigen Schritt zum Imperialismus, der zum Umsturz der Republik führen könnte.  Dieses waren die Ansichten aller Deutschen und vieler anglo-amerikanischer Staatsmänner, welche mit Energie dem Krieg und der sogenannten "Jingo-Presse" opponirten. Die deutsche Presse der Ver. Staaten stand mit einer einzigen Ausnahme gegen den Krieg, und nachdem derselbe begonnen, war sie für dessen rascheste Beendigung.  Die spätere Entwicklung des Krieges und das geheime Einvernehmen der höchsten Beamten unserer Regierung mit England erbitterten das Deutschthum dieses Landes um so mehr und resultirte in der Abhaltung von Massenversammlungen in allen größeren Städten, in welchen die Deutschen ihre Mißbilligung und Entrüstung in energischer Weise ausdrückten.  Es war Anfangs nicht Parteigehässigkeit oder -Vorurteil, womit man der Administration entgegentrat.  Republikaner wie Demokraten betrachteten den unnöthigen Krieg als ein Unglück für das Land und erst später, nachdem die politischen Manöver für die nächste Präsidentenwahl begannen, nahm die Opposition gegen

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die Administration einen parteipolitischen Anstrich an. Republikanische Blätter, welche bis dahin mit ihrer vollsten Kraft und Macht dem Krieg opponirt hatten, drehten nun plötzlich um und unterstützten die Politik der Administration in Washington. Die Demokraten und sonstigen Gegner der demokratischen Partei nahmen dann auch Stellung und traten auf Seite der Gegner der Eroberungssucht der dominirenden Partei und gegen jede Allianz mit frenden Regierungen, besonders der von England. Während der Hauptführer aller Gegner der republikanischen Partei, William J. Bryan, anfangs selbst von dem Kriegstaumel hingerissen wurde und sich sogar zum Obersten eines Nebraska Regiments ernennen ließ, und als solcher mehrere Monate diente, trat er schließlich als entschiedener Befürworter der Beendigung des Krieges auf den Philippinen auf.  Zu bemerken ist, daß auch der Präsident den Standpunkt änderte, den er vor und kurz nach der Kriegserklärung gegen Spanien eingenommen hatte; er erklärte es ursprünglich für ein Verbrechen seitens der Ver. Staaten, fremde Länder gewaltsam zu annektiren, und er zögerte lange, bis er seine Zustimmung zur Kriegserklärung gab. Das grauenhafte Ereigniß im Hafen von Havana, wobei, absichtlich oder durch Zufall, das amerikanische Kriegsschiff Maine zerstört wurde und Hunderte von tapferen Matrosen um’s Leben kamen, machte weiteren Widerstand des Präsidenten unmöglich. Der Krieg war unvermeidlich. Die Erbitterung war zu groß, und der Patriotismus zu sehr erregt, daß noch ferner friedliche Unterhandlungen fortgesetzt werden konnten. Wohl konnten die Gegner des Krieges sagen: Hätten sich die Ver. Staaten nicht in den Kampf zwischen den aufständischen Cubanern und den Spaniern eingemischt, so wäre das Unglück nicht passirt, und hätte es keine Ursache für einen Krieg gegeben. Aber geschehen war geschehen, und nun fehlte es nicht an Vaterlandsvertheidigern; unter ihnen waren auch viele Söhne deutscher Eltern. Auch von Iowa gab es in jeder Compagnie der vier Regimenter, welche der Staat für den Krieg stellte, deutsche Abkömmlinge. Zu den Helden deutscher Abkunft gehört der tapfere Osborn Digman von Stuart, Iowa, der mit Leutnant Hobson in der Hafeneinfahrt von

Santjago half, die Versenkung des amerikanischen Kohlenschiffes Merrimac auszuführen. Unter den Freiwilligen von Iowa waren keine deutschen Offiziere. Politische Begünstigung ist die Ursache. Da die Deutschen sich wenig um Politik bekümmern, so wurden sie auch bei dieser Vertheilung fetter Brocken links liegen gelassen.