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Chapter 14 (transliteration): Iowas deutsche Dichter und Schriftsteller

Vierzehntes Kapitel.
Iowa´s deutsche Dichter und Schriftsteller.

In den ersten Jahren der Entstehung unseres Staates waren die Ansiedler deutscher Nationalität so gering in der Zahl und so zerstreut, und waren die Kämpfe um das Dasein in den noch schwach besiedelten und im Urzustand befindlichen Gegenden, falls überhaupt schon Menschen dort wohnten, derart, daß sie sich nicht mit schriftstellerischen Sachen abgeben konnten, und selbst die Gottbegnadeten kaum den Drang fühlten, literarischen oder dichterischen Neigungen nachzugeben. Der erste Musensohn unter den Deutschen Iowa´s, der schon Ende der 40er Jahre hier war und dem die Muse hold war, hatte sich in Dubuque niedergelassen - Dr. Karl Brockmann - ein gebildeter und geisteskräftiger Mann, dessen Gedichte s.Z. nicht geringes Aufsehen erregten und in den größeren Städten des Landes beifällig aufgenommen wurden.

Bald nach ihm, oder um dieselbe Zeit kam Capt. Koch, auch s.Z. Doktor und "Anti-Pfaff" gennant. Heinrich Koch siedelte sich ebenfalls in Dubuque an, wo er als Uhrmacher tätig war und zugleich auch der Menschheit seiner Umgebung Medizin verfertigte, welche sie gegen die malarischen Ausdünstungen des Urbodens stählten, hauptsächlich, wenn diejenigen, welche seine grimmigen Medikamente, in der Form von Brech- und Abführmitteln, einnahmen, stark genug waren, sie auszuhalten, das aber waren die ersten Ansiedler gewöhnlich. Captain Koch war ein belesener wie auch mit Naturgaben reich ausgestatteter Mann, der, wie so viele Tausende seiner Landsleute, nach Amerika gekommen war, um der Unterdrückung seines Heimathlandes zu entgehen und um in dem Lande der Freiheit seine Lage zu verbessern. Er fand aber Vieles anders als er es sich vorgestellt hatte. Die Menschen waren nicht, wie sie sein sollten, und weil er kein Optimist war, sondern sich mehr pessimistischen Ansichten hingab, so hatte er stets vollauf zu thun, seine Missbilligung über die

[Seite 199: ganzseitiges Foto; Bildtext: “Capt. Heinrich Koch.”]

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verkehrten, obwaltenden Zustände auszudrücken und zu kritisieren. Er that dieses in gewandten Reden und in Form von Flugschriften und Broschüren, welche ebenso beißend und angreifend waren, wie seine Medikamente. Er führte eine ungemein schneidige Feder und geißelte mit Unbarmherzigkeit seine Gegner, oder diejenigen, welche wie er meinte, verbohrt und verkaffert waren, weil sie nicht seinen Ansichten huldigten. Besonders heftig war er zeitweise gegen die Geistlichkeit; er schrieb gegen dieselbe in Prosa und Poesie; und seine Leistungsfähigkeit in dieser Hinsicht war erstaunlich. Er schrieb beständig, ob es ihn auch manchmal bedeutende finanzielle Opfer kostete, seine Schriften in Druck zu bringen. Dabei erzielte er unter dem Namen "Anti-Pfaff" eine Celebrität in hohen, literarischen Kreisen in Amerika. Obwohl seine Schriften für Manche anstößig waren, so konnte man dennoch aus denselben den scharfen Original-Denker, den strengen Kritiker und eifriges Streben nach Recht und Freiheit erkennen. Freiheit, religiöse wie politische, war für ihn Alles, und was immer nach seiner Meinung der Verwirklichung der vollkommensten Freiheit im Wege war, mußte mit der Geißel seiner Feder vernichtet werden; dabei achtete er nicht darauf, ob es Freund oder Feind war. Aber er war bei alledem ein guter Bürger und erzog eine Familie von sittsamen Kindern. Er starb in den 70er Jahren in hohem Lebensalter, geehrt und betrauert von Allen, die ihn kannten.

 Herr Anton Eickhoff, der erste deutsche Redakteur in Iowa, kam auf Veranlassung des Herrn Koch von St. Louis nach Dubuque, um die Redaktion der ersten deutschen Zeitung in dem neuen Staate zu übernehmen. Er brachte im "Deutschen Pionier" von Cincinnati in 1880 einen historischen Beitrag über seinen Freund, dem wir Nachstehendes entnehmen:

"Heinrich Koch wurde am 27. März 1800 in Bayreuth geboren, hatte die dortige Volksschule besucht und die Uhrmacherei erlernt. Mit geistigen Gaben ausgestattet und mit einem sympathetischen Gemüt begabt, beteiligte er sich, nachdem er zum Manne geworden, an der politischen Bewegung jener Tage und war bei dem sogenannten Hambacher Feste zugegen, welches bekanntlich für manche Teilnehmer ein verhängnißvolles Ereigniß war. Gleich vielen Andern, welche sich der revolutionären Bewegung angeschlossen hatten und für eine Erklärung der Menschenrechte waren, die zur Wiederherstellung des deutschen Reiches, zur nationalen Einigung und Unabhängigkeit führen sollte, war er genöthigt, nach Amerika auszuwandern. Im Jahr 1832 landete er mit seiner Frau und zwei Kindern in Baltimore. Er hielt sich dort nicht lange auf, zog westwärts und ließ sich in St.

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Louis nieder, woselbst er sein Geschäft betrieb. Bald betheiligte er sich jedoch an politischen Bestrebungen und schloß, um seinen Ansichten am Besten Geltung zu verschaffen, der demokratischen Partei sich an, löste aber später wieder seine Verbindung mit derselben, als die von Frankreich aus verbreiteten Lehren von einer radikalen Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft bei ihm willkommene Aufnahme fan-den. Seine radikalen Anschauungen fanden zunächst ihren Ausdruck in feindlichem Auftreten gegen alle Religion und deren Vertreter; er gründete unter dem Namen "Anti-Pfaff" ein wöchentliches Blättchen, worin er die Lehren der Religion mit unnachsichtlicher Härte bekämpfte und sich den Haß eines großen Theiles der Bevölkerung von St. Louis zuzog. Bald gründete er noch den "Communist", worin er die Lehren Fourier's, Albert Brisban's, Robert D. Owen's und anderer Communisten der damaligen Zeit verbreitete, und ein radikal-politisches Blatt, welches den Titel "Reform" führte, so daß er gleichzeitig drei verschiedene Blätter, der Verbreitung radikaler Lehren nach drei verschiedenen Richtungen gewidmet, herausgab und redigirte, und darin seine Ansichten in Prosa und in Gedichten verkündete. Er war ein großer Volksredner und im Stande, die Masse der Arbeiter, welche ihn in der Arbeiterbewegung damaliger Zeit als ihren Führer betrachtete, zu wilder Begeisterung hinzureißen. Als eines Abends ein Volkshaufe das medizinische College der Missouri-Universität stürmen wollte, weil das unsinnige Gerücht verbreitet worden, daß Menschen dahinein gelockt und zum Zwecke des Secirens getödtet worden, sah sich der Mayor der Stadt genöthigt, nach Heinrich Koch zu schicken, dem es denn auch gelang, das Volk zu beruhigen. Durch die Arbeiterbewegung der damaligen Zeit, welche in den vierziger Jahren über die Ver. Staaten sich erstreckte, aber fast ausschließlich auf die deutschen Handwerker sich beschränkte, wurde die deutsche Bevölkerung von St. Louis, so weit es öffentliche Kundgebungen anbetraf, in zwei Klassen getheilt: die der Arbeiter und die der Lateiner; unter letzteren verstand man Alle, welche mit der Arbeiterbewegung nicht sympathisirten und in Versammlungen der Führung von Männern folgten, die eine akademische Bildung genossen hatten, deren es damals in St. Louis viele gab. Eine solche Blidung besaß Koch nicht, aber als Volksredner überragte er alle Lateiner, und es kam vor, daß er in Versammlungen, die von letzteren berufen worden, auftrat und durch seine Beredtsamkeit sich ihrer bemächtigte. Als Organ der Lateiner galt der "Anzeiger des Westens", mit dem Koch vor dem Ausbruch der radikalen Sturmperiode auf freundschaftlichem Fuße stand und in dessen ersten Jahrgängen manche

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hübsche Gedichte von ihm abgedruckt sind. Die Arbeiterbewegung in den vierziger Jahren war ähnlich der, welche in neuerer Zeit in den Fabrikstädten des Landes Verbreitung gefunden hat, nur war sie idealer in ihren Bestrebungen. Ihre Apostel im Osten der Ver. Staaten waren der leider zu früh verstorbene geniale Volksredner und Journalist Hermann Kriege und später Wilhelm Weitling; unter Führung des letzteren schlug sie bald eine entschieden realistische Richtung ein, bis sie nach und nach sich gänzlich verlief.

Bei Ausbruch des mexikanischen Krieges brachte Koch innerhalb drei Tagen eine Freiwilligen- Compagnie von 102 Mann zusammen, die ihn zu ihrem Kapitän wählte. Er rüstete die Compagnie auf eigene Kosten aus und mußte, um das thun zu können, sein Haus mit einer Hypothek belasten. Die Compagnie wurde dem St. Louiser Bataillon zugetheilt und nahm thätigen Antheil an den Kämpfen unter General Zach. Taylor....

Heinrich Koch war ein Mann von ganz außergewöhnlichen natürlichen Anlagen, der beste deutsche Volksredner, den ich je gehört habe. Er war ein Sonderling, der erst im reifen Alter die Nothwendigkeit begriff, in manche Einrichtungen der menschlichen Gesellschaft, die er für unvernünftig hielt, sich zu schicken. So weigerte er sich entschieden, die englische Sprache zu lernen, obgleich er nach langem Aufenthalte in diesem Lande doch ziemlich vertraut damit wurde; er war hart und unerbittlich in der Verfolgung dessen, was er für unwahr und unrecht, beständig in der Vertheidung von Ansichten, die er für richtig hielt, aber er war sanft und liebenswürdig im persönlichen Umgange und aufopfernd für Alles, was in seiner Meinung recht und edel war. In seiner Sturmperiode in St. Louis hatte er viele Feinde, aber selbst die Gegner, die er sich schuf, anerkannten seine persönliche Ehrenhaftigkeit und beklagten seine Irrthümer. Er war zartfühlend bis zur Empfindlichkeit; durch irgend eine kleine Veränderung in Sprache oder Rhytmus eines seiner Gedichte konnte man ihn tief verletzen, und doch war solche Veränderung zuweilen wünschenswerth, da er nur nach dem Gefühle dichtete und auf die Regeln des Versbau's keine Rücksicht nahm. Ich möchte ihn mit einem zarten musikalischen Instrumente vergleichen, das bei der geringsten Berührung durch ungeschickte Hand verstimmt werden kann."

Das größte poetische Werk, welches der Feder des Herrn Koch entsprang, ist: "Die Schöpfung, oder die Erschaffung des Himmels und der Erde, sammt allem sündhaften Vieh und Menschenkind, wie solche der alte Judengott selbst in der Bibel geoffenbart hat, und was er nicht geoffenbart hat," in 181 achtzeilige Verse enthaltendes, äußerst

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interessantes Gedicht von "antipfäffischer" Tendenz. "Die Vier Jahreszeiten im Nordwestlichen Mississippithal", welche er in 1870 für die "Iowa Staatszeitung" schrieb, zeugen auch von besonderer Begabung. Nachstehende zwei Gedichte lassen aber sein Gemüth sowie sie Schneide seiner Feder in der Poesie deutlich erkennen:

 

Der Kartätschen-Prinz!

 

Kartätschenprinz, wie gerne hätt' ich Dich

Vernichtet einst, mit wahrer Herzenslust,

Im bittern Haß, der ganz erfüllte mich,

Der immer tiefer grub sich in die Brust.

Nun bin ich alt, - alt sind wir Beide heut',

Und hoch im Alter geh'n wir einen Pfad',

Du als ein König, ich ein Sohn der Zeit, -

Der Zeit - , die Dich geprüft, geläutert hat. -

 

Weil Deine Wiege war ein Königsthron,

Soll mich d'rum Deine Größe nicht erfreu'n?

O nein, vergessen heut' ist Haß und Zorn,

Gerecht muß ich als Mensch dem Menschen sein.

Denn nicht mehr träge schleicht der Strom der Zeit,

Auf Sturmesflügeln braust er heut' einher,

Es stürzen seine Wogen hoch und breit

Was felsenfest nicht ist, hinab ins Meer.

 

So ist auch heut', was einst durch Dich gescheh'n,

Von Sturmeswellen längst hinweggespült,

Du hast gethan, was nimmer wird vergeh'n,

Denn Deutschland dankt Dir, was es heut erzielt.

Es dankt Dir Einigkeit und Heldenmuth,

Und daß nicht wieder Deutschlands schöne Gau'n

Verwüstet von Napoleons Räuberbrut,

Die alte Schmach der Zwietracht wieder schau'n.

 

Du bist der Hammer, der den Thron zerschlägt,

Den Räuberthron des Corsen heut' mit Macht;

Der hoch voran das deutsche Banner trägt,

Das siegreich weht in jeder heißen Schlacht.

Gern wind' ich um die greise Heldenstirn

Den Lorbeer Dir, Du bist ihn heute werth,

Wenn Du als Prinz einst konntest fehl'n und irr'n,

Als König bist Du heut' das deutsche Schwert.

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Warum?

 

Warum, mein deutsches Vaterland,

Hast Du das Schwert in Deiner Hand,

Kämpfst Du für eines Fürsten Thron.

Kämpfst Du für feilen Söldnerlohn?

O nein, o nein, o nein, o nein,

Mein Kampf wird heut‘ viel größer sein.

 

O sag' mein deutsches Vaterland,

Willst Du erobern fremdes Land‘;

Willst Du ein and'res Volk bedrohen,

Und seinem Recht frech sprechen Hohn?

O nein, o nein, o nein, o nein,

Mein Kampf wird heut' viel größer sein.

 

Gehst Du mein deutsches Vaterland,

In Kampf für Ehrgeiz, Fürstentand,

Und giebst Du Deines Wissens Ruhm

Hin für ein "Gottesgnadenthum"?

O nein, o nein, o nein, o nein,

Mein Kampf wird heut' kein solcher sein.

 

Warum, mein Vaterland, o sag'

Stehst Du am Rhein dort auf der Wach',

Kämpfst Du für eine Dynastie,

Wie heut' der Franzmann kämpft für sie?

O nein, o nein, o nein, o nein,

Mein Kampf gilt einem höhern Sein.

 

So mach' mein deutsches Vaterland,

Mit Donnerstimm' der Welt bekannt,

Daß Du gerüstet stehst am Rhein,

Und kämpfst ein einig Volk zu sein -

Ein einig Volk, ein Vaterhaus,

Das ist Dein Kampf, ihn kämpfst Du aus.

 

Darum, so weit die Welt bekannt,

Blickt sie auf Dich, mein Vaterland,

Ob Du den Riesenkampf bestehst,

Ob Du besiegt, ach, untergehst.

Besiegt? O nein, o nein, o nein,

Mein Vaterland wird Sieger sein.

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Durch Macht zum Licht, seit tausend Jahr,

Mein Vaterland Vorkämpfer war,

So kämpfe Deinen letzten Kampf,

Und steig' aus Blut und Pulverdampf

Weit herrlicher als je zuvor -

Verjüngt, ein Phönix, hoch empor.

 

Unter den sogenannten "48ern", welche soweit bis Iowa nach dem Westen kamen, war Wilhelm Rothacker, der aus Engen, Baden, (1828) gebürtig war und in Freiburg und Tübingen studirt hatte, weil er an der badischen Revolution in 1848 Theil genommen hatte, in 1850 nach Amerika kam, eine Zeit lang in Wheeling und dann in Louisville Redakteurstellen an Zeitungen bekleidete und zuletzt die "Turnzeitung" in Dubuque redigirte. Er war ein genialer Mensch; das Glück war ihm aber nicht hold und er starb in Cincinnati in tiefer Noth am 25. November 1859. Unter seinen hinterlassenen Schriften ist nachfolgendes Gedicht, welches seinen Sinn und sein Streben gewissermaßen veranschaulicht:

 

 

Die Menschenrechte.

 

Mit blankem Schwert und scharfer Lanze,

So tret' ich in die Wahlstatt ein;

Ich ring' nicht nach dem Lorbeerkranze,

und doch muß brav gestritten sein.

Es liegt so Vieles noch im Argen,

Noch strahlt er nicht, der Menschheit Stern,

Weil stets sie den Betrug verbargen

Von der Tribün' und Press' die Herr'n.

 

Zertreten kauern Nationen,

Die Erde liegt, ein ödes Feld,

Und doch ließ' sich so herrlich wohnen

Auf dieser weiten, schönen Welt.

Die angeborenen Menschenrechte,

Sie griffen nirgends, nirgends Raum;

Triumphe feiert nur das Schlechte

Und Freiheit ist noch stets ein Traum.

 

Kaum daß die Väter blutig sanken,

Zu werben uns ein besseres Loos,

So bauten wir uns neue Schranken

Und ziehen den Verrath uns groß.

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Noch gilt es d'rum ein schweres Ringen,

Denn die Gemeinheit ist so stark,

Und ach! die Dummheit schwer zu zwingen -  

Es kostet unser bestes Mark.

 

Doch keck voran mit hellem Schilde

Und Wahrheit als Palladium;

Ist auch nur spärlich uns're Gilde,

So ist doch groß des Kampfes Ruhm.

Voran, und nieder rings die Lüge,

Gehandelt und nicht feig geklagt!

Welch' bessern Spruch mein Banner trüge,

Als Hutten's Spruch: "Ich hab's gewagt!"

 

Der Dichter hat den Kampf "gewagt"; er hat mächtig für die Menschenrechte gekämpft, ist aber im Kampfe gefallen.

Anfangs der 60er Jahre kam der am 15. Dezember 1835 zu Elbingen, Hannover, geborene Alfred Arnemann nach Guttenberg. Er hatte die höhere Schulen in Hildesheim und Göttingen besucht und die Landwirthschaft erlernt. Zuerst nach seiner Ankunft in den Ver. Staaten widmete er sich dem Lehrerstande und war Hauslehrer bei Friedrich Hecker nahe Belleville, Illinois. In Guttenberg unternahm er mit andern eine Brauerei, in der er aber nicht besonders erfolgreich war und die er deshalb wieder aufgab. In 1869 ging er nach Omaha. Dort fing er eine deutsch- englische Privatschule an, eine Thätigkeit, die ihm mehr zusagte, und in der er sich allgemein beliebt machte. Später wandte er sich dem Grundeigenthums-Geschäft zu und erwarb sich ein hübsches Vermögen. Er lebt seit mehreren Jahren in einem schönen Heim zu Omaha. In Mußestunden schrieb Herr Arnemann eine Anzahl Gedichte, speziell in plattdeutscher Mundart, darunter mehrere, welche sich in Wort und Sinn mit den besten plattdeutschen Gedichten messen können. In 1875 ließ er einen Band seiner Gedichte drucken; es sind deren seither mehrere Auflagen erschienen. Eines seiner volksthümlichsten Gedichte ist nachstehendes:

 

De wohre Lihrer.

 

Du seggst, en Lihrer müggst D' nich sin,

Un Di mit Kinner plagen -

Ja leiver höddest Du wol Swin,

Or tögst gor sülwst en Wagen!

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Ja, Jedder sik dortau nich schickt,

Uns' Lütten tau belihren,

Und wen Geduld dorbi licht ritt,

Fang't nich an tau probiren.

 

Wer will en wohren Lihrer sin,

Mött Leiw heww'n för de Lütten;

Mött kiken in ehr Harten rin,

Mött führen se un stütten.

 

Mött sülwst in'n Harten kindlich sin

Un mit den Kinnern fäuhlen,

Ehr' Lustigkeit un ehre Pin -

Mött ehren Iwer käuhlen.

 

Mött kennen jeden Hartensslag

Von sinen lütten Göhren;

Mött äwer jedes Ungemach

De Minschenplanten führen.

 

Mött as en Gärtner tru und mild

Recht gauden Grund utwählen;

Mött schützen se as wi en Schild,

dat s’ut den Karn sik schellen

 

Denn bläuht’ ne schöne Blaum an’n Stamm,

Süggt Kraft up för dat lewen,

Un vele Früchte wassen dran -

Ward gaude Arn wol gewen!

 

Denn sind uns leiwen Lütten nich

De schönsten, reinsten Bläuthen?

Und wassen s' nich recht winniglich,

Wenn wi s' mit Leiw begeiten?

 

 

De einzig Freud, de 'n Lihrer kennt,

Is wenn de Lütten lihren -

Un wenn se grot sümd, dat se nennt

Mit Leiw den, de s' ded führen.

 

Ward wi nich rik in unsen Stand,

Wi dauhn de Welt vel nützen;

Mit ümmer will'ger truer Hand,

Dauhn wi Jug Kinner schützen.

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Sünd nu de Kinner endlich grot,

Und warden brave Menschen,

Verdeinen sik ehr ihrlich Brod

Slahn in, as wi dat wünschen -

Denn is uns' gröttste Wunsch erfüllt,

De uns ut deipften Harten quillt.

 

In die Reihe der größten deutsch-amerikanischen Dichter, die Iowa zu den seinigen zählen kann, gehört Caspar Butz, der am 23. Oktober 1825 in Hagen, Westphalen geboren war und sich von früher Jugend an zur Literatur und Poesie neigte. Im Jahre 1848 war er Redakteur der "Hagener Zeitung" und nahm regen Antheil an der damaligen fehlschlagenden Freiheitsbewegung. Er war Mitglied der provisorischen Regierung geworden, mußte sich flüchten und wurde steckbrieflich verfolgt. Das brachte ihn nach den Ver. Staaten, wo seine Kenntnisse bald Anerkennung fanden und zur Verwerthung kamen. In 1854 kam er nach Chicago und stürzte sich sofort in die Politik zur Zeit, als die republikanische Partei im Entstehen war. wie fast alle "48er" nahm er an deren Gründung Theil. In 1858 wurde er schon zum Mitglied der Illinoiser Gesetzgebung gewählt und war darnach stets mit seiner Feder politisch thätig. Es waren stürmische Zeiten und geeignet das Beste aus einem großen Geiste wie Caspar Butz zu Tage zu fördern, und so entflossen seiner Feder auch sinnreiche und begeisternde Dichtungen, welche dem Zeitgeist angemessen waren. In 1866 gab er die "Deutsche Monatshefte" heraus, welche außer seinen eigenen, gediegenen Artikeln und Gedichten Beiträge von solchen bedeutenden Männern enthielt, wie Stallo, Münch und Kapp. In 1879 erschienen in Chicago seine "Gedichte eines Deutsch-Amerikaners", ein in literarischen Kreisen hoch geschätztes Werk. Unter öffentlichen Aemtern, welche Herr Butz bekleidete, war das des Stadtschreibers (City Clerk) in Chicago. Da zwei seiner Söhne ein Engros-Spezereiengeschäft in Des Moines eröffnet hatten, zog er mit seiner Familie dahin, wo er am 17. Oktober 1885 starb.

In Des Moines war seine Feder ebenso thätig wie in Chicago; er schrieb mehrere Jahre lang von hier sehr interessante, politische Correspondenzen für die New Yorker Staatszeitung. Hier schrieb Herr Butz die meisten seiner "Großvater-Lieder", welche nach seinem Tode in 1887 erschienen. Hier dichtete er auch eine "Poetische Beigabe" zur Doré'schen illustrirten Bibel".  

Dr. G. A. Zimmermann, Herausgeber des Werkes "Deutsch in Amerika", sagt darin über Herrn Butz:

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"Ein echter, wahrer Dichter war Caspar Butz, der Typus eines Achtundvierzigers; der Sache der Freiheit, der er sich als junger Mann weihte, blieb er bis zum letzten Athemzuge treu, und so durchzieht der Freiheitsgedanke wie ein rother Faden auch seine formvollendeten Gedichte. Sein Element war der Kampf, und ob er am Niagara sitzt, "den Griffel in der Hand und vom Nebel des Sturzes umstäubt", oder ob er den Siegeszug der Unions-Armee schildert, oder ob er den Deutschen im alten Vaterlande einen begeisterten Gruß sendet, immer schwelgt er in der Ausmalung von Schlachten, Kanonendonner und Siegesgeschrei. Butz war "viel zu sehr Charakter, um in weiblicher Resignation dahinzuschmelzen" und - viel zu sehr deutsch; und so ruft er einmal aus: "Die Welt ist Kampfplatz allerwärts; Nur von dem Deutschen glaubt mit Nichten, Daß von der Heimath läßt sein Herz". Daß er aber auch ein inniges, echt deutsches Gemüth hatte, davon zeugen seine schönen Kinder- und Groß- läßt uns einen tiefen Blick thun in sein religiöses Denken und Leben."

 Die nachstehenden zwei Gedichte, welche seiner Feder entstammten, dringen sicherlich in jedes deutsche Herz:

 

Gruß der Deutschen in Amerika.

(15. Juli 1870.)

 

Wenn Wünsche Kugeln wären, wenn Blitz und Donnerschlag

Der längst Verbannten Zürnen, jetzt am Entscheidungstag,

Wie würd' der Donner rollen gewaltig über's Meer

Für Deutschland eine Salve, für sein tapf'res Heer!

Vergessen ist ja Alles, vergessen jede Noth,

Vergessen jedes Urtheil, ob es auch sprach: der Tod!

Für Dich, o Muttererde, du Land der Herrlichkeit,

Auch Deine fernen Söhne, sie stehen mit im Streit!

 

Nicht Zeit ist's mehr für Worte, Gott grüße Dich, mein Land!

Wie stehst Du stolz im Streite, der jetzt so jäh entbrannt!

Ein Feigling, der verzweifelt nur einen Augenblick.

Hol' Deine alte Größe und Ehre Dir zurück!

Pflanz' auf des Wasgaus Höhen das deutsche Banner auf,

Laß weh'n die alten Farben von Straßburgs Domes Knauf!

Nun ist für Deine Kammern, trotz des Jahrhunderts Hohn,

Endlich die Zeit gekommen, die Zeit der Reunion!

 

Der Würfel ist gefallen, der furchtbar eisern rollt;

Sie haben mit beschlossen, sie haben mit gewollt;

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Sie küssen ihm begeistert den Reiterstiefel blank,

Der einst bis an die Knöchel im Bürgerblut versank;

Hohläugig, ein Gespenste, bertritt in blindem Wahn

Der letzte Bonaparte die letzte Schlachtenbahn;

Gerichtet von den Völkern, stürtzt er im Blachgefild,

Denn seines stolzen Hauses Jahrhundert ist erfüllt.

 

Doch Du, der jetzt Du lenkest des Vaterlands Geschick,

O! stehe fest! o! wanke jetzt keinen Augenblick;

O! sieh, wie Klio's Auge so ernst jetzt blickt auf Dich,

O! sei dem deutschen Volke kein zweiter Metternich!

Vermähle Du, Du kannst es, reich' nur dem Volk die Hand,

Die Freiheit mit der Größe im deutschen Vaterland!

Wir segnen den Befreier, wir fluchen dem Verrath!

Auf! und vollziehe endlich der Deutschen größte That!

 

Nic Gonner, Sr.

 

Von 1871 bis 1892 lebte in Dubuque ein Mann von ungemeiner Geistesthätigkeit der auf dem kirchlichen, und besonders auf dem literarischen Gebiete Vieles geleistet hat, hauptsächlich für seine engeren Landsleute, die Luxemburger. Nebst der Redaktion der "Luxemburger Gazette" und der "Iowa", letztere seither in "Katholischer Westen" umgetauft, fand er Zeit verschiedene Bücher zu verfassen, darunter ein 500 Seiten umfassendes Werk betitelt: "Der Luxemburger in der Neuen Welt", ein für Luxemburger hoch interessantes Werk.

Herr Gonner wurde am 8. Januar 1835 zu Luxemburg in der Unterstadt Pfaffenthal geboren. Die Eltern betrieben das Gärtnergeschäft. Seine Studien begann er 1848 am Gymnasium zu Luxemburg, kam bis Quarta, trat in die Gewerbeschule über und verließ diese Anstalt beim Uebergang nach Secunda. Familienverhältnisse zwangen ihn, die Studien einzustellen, und er trat am 30. August 1853 beim Ersten Batailon des damaligen Luxemburger Bundes-Contingentes als Freiwilliger in Echternach ein, mit der Absicht Offizier zu werden. Um das Ziel zu erreichen, wurden Militärwissenschaften in's Auge gefaßt, dabei aber auch andere Studien nicht vergessen. Den Werth der Ueberreste des germanischen Alterthums in Sitten und Sagen, Bräuchen und Liedern erkennend, wurde fleißig auf diesem Gebiete gesammelt. Neben dem Tornister und unter der "Batailonsschule" lag Jahre lang Grimm's "Deutsche Mythologie". Im Rechnungswesen und selbstständiger Ausarbeitung von Berichten

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geben die Bureaux, auf denen er arbeitete, gute Gelegenheit. Einsehend, daß Gamaschendienst in einer kleinen Garnison seine Sache nicht sei, machte er ein Examen für die Bauverwaltung, ging von elf Candidaten als zweiter aus demselben hervor und fand Anstellung als Wegemeister ("Cantonal-Piqueur" nennt es die schöne Amtssprache des Großherzogthums) im Canton Remich. Am 8. Februar 1859 erfolgte die Verabschiedung als Sergeant-Fourier aus dem Militärdienst. Fleiß und Selbststudium des neuen Faches, dessen spezieller Dienst Wege- und Brückenbau war, fanden bald die verdiente Anerkennung. Eine im Auftrage des Stadtrathes von Remich 1865 geschriebene Broschüre, betitelt "Die Moselbrücke zu Remich", trug dem schönen Moselstädtchen eine Unterstützung von 120,000 Franken Hilfsgelder seitens der Ständekammer für die Brücke und dem Autor unter der Oberleitung des Eisenbahningenieurs Bellanger die Führung des Baues ein. Da die Arbeit zu etwa 300,000 Franken in Contract gegeben ward, und eine Brücke aus Stein von 9 großen Bogen, von 22 1/2 Meter Spannung jeder, und zwei kleinen Landbogen ohnehin keine leichte Arbeit ist, so war das Zutrauen nicht klein, das man in seine Kenntnisse setzte. Mit höchstem Bedauern sah man ihn scheiden, das Amerikafieber hatte ihn ergriffen. Statt der verlangten zwei Jahre, gewährte ihm die Regierung unbestimmten Urlaub. Da sich gewisse indirect gemachte Versprechungen nicht realisirten, trat er zu seinem Schwager Michael Dittlinger, der ihn am 1. Januar 1866 in New York abnahm, in Dienst, führte dessen Sägemühle und Daubenfabrik in Cape Girardeau, Missouri, und übernahm nach einem Jahre den Contract zum Wiedervermessen der Straßen der Stadt und zum Entwurf der Gefälle derselben. Der Contract ward in Jahresfrist zur größten Zufriedenheit des Stadtrathes und der Bürger vollendet. Am 28. März 1872 kam Gonner nach Dubuque. Die Familie folgte im Herbste. Nach wenigen Monaten bautechnischer Thätigkeit übernahm derselbe die Redaktion der "Luxemburger Gazette", und später auch die der "Iowa".

An dem katholischen Vereinswesen nahm Gonner immer regen Antheil. Seinen Bestrebungen verdankt die "Römisch-Katholische Gegenseitige Schutzgesellschaft von Iowa" hauptsächlich ihr Entstehen. Mehreremale sandte ihn der St. Alphonsus-Verein als Delegat zu den Generalversammlungen des Central-Vereins, so nach Cincinnati, nach Evansville, nach St. Paul, nach Milwaukee, Chicago und Cleveland. Einstimmig wurde er 1887 in Chicago zum Präsidenten des deutschen katholischen Preßvereins erwählt und 1888 und 1889 per Acclamation wieder erwählt. Abgesehen von den redaktio-

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nellen Arbeiten lieferte er viele Artikel, meist in's Baufach einschlagend, an verschiedene Zeitschriften. Es würde zu weit führen, sie hier aufzuzählen, wir beschränken uns daher auf folgende Druckwerke:

"Die Moselbrücke zu Remich." 1865.

"Rathschläge beim Baue katholischer Kirchen im Westen der Vereinigten Staaten Amerika's."

1872.

"Onserer Lidder a Gedichter an onserer letzeburger-deitscher Sproch." 1879.

"Prairieblummen." 1883.

Nic. Gonner, Sr., starb am 20. Dezember 1892 zu Dubuque.  Mit ihm schwand einer der verdienstvollsten deutschen Männer Iowa's, der sich besonders im Kampfe gegen Prohibition und jeden Eingriff in die persönliche Freiheit hervorthat. Gonner hatte auch als Volksredner einen sehr weiten Ruf.

In Davenport dichtet Carl Kühl seit einem Menschenalter und hat er seiner Stadt und den Deutschen Iowa's manches ergreifende Gedicht geliefert. Er ein ein genialer Literat, und es ist nur Schade, daß er seine Gedichte nicht gesammelt und so zum Druck gebracht hat.