Chapter 9 (transliteration): Iowas Kolonien
Neuntes Kapitel.
Iowa's Colonien.
In den Jahren 1848, '49, und '50 herrschte in den größeren Städten dieses Landes, wie auch in Europa eine allgemeine Agitation für die Gründung von Colonien auf sozialistischer und communistischer Basis. Die Lehren und Ideen von Fourrier, Proudhon und Cabot hatte in diesem Lande vielfach Wurzel gefaßt. In New York wie in Cincinnati schwärmte man für die Idee des gemeinsamen Besitzthums und gleichmäßiger Benutzung aller Erzeugnisse. „Fort mit aller Monarchie, allen Fürsten, allen Brotherren!“ Brüderlich und schwesterlich wollte man fortan zusammen arbeiten, zusammen essen, wie eine große Familie, und sich des Lebens freuen. Frei wie die Vögel in der Luft und ohne Kummer und Sorgen.
In den genannten Jahren war Iowa wegen der Fruchtbarkeit seines Bodens schon einer der von Einwanderern meistgesuchten Staaten der Union, und somit lenkten auch mehrere Coloniengründer ihre Blicke dahin. In Clayton County allein wurden drei solcher Colonien gegründet.
Die erste war die Clydesdale Colonie, welche am 4. April 1849 in Schottland organisiert wurde, und deren Mitglieder sich im Winter von 1850-'51 in Monona Township, Clayton County, drei Meilen südwestlich von dem Städtchen Monona niederließen. Ein hochgebildeter Mann, Namens John Craig, war ihr Präsident. Die Namen der anderen Mitglieder waren John Jack, James Love, John McAndrews, James Shanks, James Gardner, Robertson Sinclair, John Davis und John Campbell. Das Kapital der Gesellschaft war auf $20,000 festgelegt worden, auf 800 Aktien zu je 25 ver-
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theilt. Die Leitung lag in den Händen eines Direktorenrathes von Dreien, welcher aus einem Präsidenten, Sekretär und Schatzmeister bestand. Ein jedes Mitglied, das vier Aktien besaß, sollte zu einem Haus und vier Acres Land für sich selbst und seine Familie berechtigt sein, wie zu einem bestimmten Jahreseinkommen in Form von Naturalien u.s.w. Fünf Prozent des Aktienkapitels und ein Viertel der Profite sollten in den Compagniefonds fließen, der Rest der Profite aber den Mitgliedern zufallen, im Verhältniß zu dem Zeitraum, während dessen sie für die Companie gearbeitet haben würden. Anfangs ging Alles flott. Es wurden Häuser, Schulen, u.s.w gebaut, und man glaubte schon, die schönen Träume von Genossenschaftsleben verwirklicht zu haben. Es dauerte aber nicht lange, so stellten sich Eifersucht, Zank und Streit ein, welche sich von Tag zu Tag mehrten und schon am 29. März 1852 zur Auflösung der Colonie führten.
Im Herbst desselben Jahres wurden die Ländereien zur Deckung der Schulden verkauft. Die zweite Colonie, welche in Clayton County gegründet wurde, war die Communia Colonie in 1850, die unter der Leitung des Herrn Heinrich Koch stand. Herr Koch, seiner Zeit allgemein als „Anti-Pfaff“ bekannt und dessen Schriften in einem andern Kapitel Erwähnung finden, war ein braver, scharfsinniger, aber etwas utopisch gestimmter Mann, bei dem, wie bei vielen anderen Weltverbesserern, das Praktische mangelte. Er blieb nicht lange in der Colonie. Das einförmige Leben auf dem jungfräulichen Boden Iowa's, umgeben vom Urwalde in den Thälern des Turkey- und Volga-Flusses, hatte keinen Reiz für ihn. Er kehrte bald wieder nach Dubuque zurück, wo er noch viele Jahre als Uhrmacher und zugleich als Fabrikant einer Patent-Medizin lebte. Er stellte ein Brech- und Abführmittel her, welches hochgeschätzt wurde und das die Nährkanäle ebenso gründlich säuberte wie seine schneidige Feder seine Gegner geißelte.
Die Colonie wurde im Juli des genannten Jahres mit folgenden Mitgliedern gegründet: Joseph Venus, Johann Endereß, F. Weiß, H. Pape, F. Nagel, H. Kopp, Jacob Ponsar, Louis Weinel, Johann Taffy, Michael Baumann, Joseph Gremser und W. Krisinger. Das Eigenthum der Colonie bestand aus 480 Acres Land, fünf
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Meilen südlich von Elkader gelegen, im Werthe [Wert] von $1,800, und Vieh und Farmgeräthschaften [Farmgerätschaften] im Werthe [Wert] von $1,200 – im Ganzen $3,000. Unter den Bestimmungen der Constitution [Konstitution] der Colonie [Kolonie] konnte keine Theilung [Teilung] des Eigenthums [Eigentums] stattfinden, wenn nicht die Mitglieder, einstimmig ihre Einwilligung dazu gaben. Ein jedes Mitglied war zum Unterhalt berechtigt, und im Falle seines Ablebens mußte [musste] die Gesellschaft die Wittwe [Witwe] versorgen und den Kindern eine Schulbildung angedeihen lassen. Wenn die Wittwen [Witwen] und Kinder von der Gesellschaft austreten wollten, so konnten sie das thun [tun] und des Gatten und Vaters Antheil [Anteil] am Gemeinvermögen mitnehmen. Wenn ein Mitglied starb und keine Frau oder Kinder hinterließ, so fiel sein Antheil [Anteil] der Gesellschaft zu. Neue Mitglieder konnten aufgenommen werden, nachdem sie eine dreimonatige Probezeit in der Colonie [Kolonie] bestanden hatten, und wenn zwei Drittel der Mitglieder für die Aufnahme waren. Wenn sie aber nicht aufgenommen wurden, konnten sie keine Ansprüche auf Lohn erheben. Mitglieder konnten austreten und ihren Antheil [Anteil] an dem Vermögen, wie bei ihrem Eintritt abgeschätzt, erhalten. Ein Drittel sollte ihnen sofort ausgezahlt werden, der Rest in ein und zwei Jahren. Wegen Uebertretung [Übertretung] der Regeln der Gesellschaft und wegen unmoralischer Aufführung konnten Mitglieder ausgeschlossen werden, in welchem Falle sie wie alle andern Mitglieder ihren Anteil erhielten. Die Leitung wurde in die Hände eines Präsidenten, Sekretärs und Schatzmeisters gelegt, jedoch bezüglich aller Verkäufe und Einkünfte, welche sich auf mehr als $25 beliefen, war die Zustimmung einer Mehrheit der Mitglieder erforderlich.
Jener Theil [Teil] von Clayton County war damals noch in fast wildem Zustande. Zwischen der Colonie [Kolonie] und Elkader (dem jetzigen Gerichtssitz des Countys) – einer Distanz von beinahe sechs Meilen - war kein einziges Haus zu sehen, und weiter südlich war dichter Urwald, in welchem Wildkatzen und Wölfe, ja sogar Panther hausten. Die Ansiedler, die damals kamen, waren arm und konnten kaum ihr Leben fristen, so ging es den Colonisten [Kolonisten] auch nur kümmerlich und sie sahen trotz ihrer schweren Arbeit mit Besorgniß [Besorgnis] der Zukunft entgegen. Das Land, welches sie von der Regierung kauften, hatte geringen Werth [Wert]. Einzelne der Mitglieder waren im mexikanischen Krieg gewe-
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sen und hatten je 160 Acres mit den Land-Warrants, die sie erhalten hatten, belegt. Das war beinahe das ganze Kapital der Colonie [Kolonie]. Die Mitglieder arbeiteten zwei Jahre unter äußerst entmuthigenden [entmutigenden] Umständen, und, fleißige und hartarbeitende Leute, die sie waren, würden sie erfolgreich gewesen sein, wenn nicht anläßlich [anlässlich] einer Beamtenwahl Zwistigkeiten entstanden wären, die eine Auflösung der Colonie [Kolonie] befürchten ließen.
Gerade während dieser Unruhen und Streitigkeiten in der Colonie [Kolonie] (in 1852) kam Wilhelm Weitling nach der Communia Colonie [Kolonie]. Er war der Gründer und Leiter der Arbeiter-Liga von Amerika, die ihre Zweigvereine in allen großen Städten wie New York, Philadelphia, Baltimore, New Orleans, Cincinnati, St. Louis, Louisville und bis nach Houston, Texas, hatte. Sogar in Brasilien gab es Zweigvereine, und von allen diesen wurden communistische [kommunistische] Ideen verbreitet. Die Zahl der Mitglieder dieser Liga betrug damals zwischen 1,200 und 1,500; dieselben rekrutirten [rekrutierten] sich meistens aus Arbeitern, Handwerken und kleinen Geschäftsleuten. Ein jeder bezahlte $10 Eintrittsgebühr und $1 monatliche Beiträge. Es war leicht zu sehen, daß [dass] diese Liga zu jeder Zeit von $5,000 bis $10,000 zu ihrer Verfügung haben konnte. Weitling fand die Colonisten [Kolonisten] in einer möglichst unglücklichen Lage und bereit irgend etwas anzunehmen, was zur Besserung derselben beitragen konnte. Sie waren Willens [willens], ihr ganzes Eigenthum [Eigentum] zu verpfänden gegen eine Einlage von mehreren Tausend Dollars seitens der Liga, die Herr Weitling vertrat. Sie wollten sogar zugeben, daß [dass] die Liga Miteigenthümer [Miteigentümerin] der Colonie [Kolonie]-Ländereien wurde.
Demgemäß wurde im Juli 1853 die „Communia Colonie [Kolonie]“ in Communia Arbeiter Liga umgetauft und der neuen Gesellschaft das Eigenthum [Eigentum] übertragen, welches aus 1440 Acres Land bestand, geschätzt auf $6,725, und aus Vieh, Geräthschaften [Gerätschaften] und Baumaterial im Werthe [Wert] von $5,296, was also eine Gesammtsumme [Gesamtsumme] von $12,021 ausmachte, eine erstaunliche Zunahme von $9,000 im Werthe [Wert] innerhalb von nur drei Jahren. Die Mitglieder und Aktienbesitzer waren damals: M. Baumann, Geo. Nehser, R. G. Reiß, John Taffy, Ph. Arno, G. Forst, Carl Schoch, J.M. Weick, H. Kopp, H. Pape, J. Klopfer, J. Venus,
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Anton Weiß, John G. Dolzer, John G. Smith, H. Krieg, G. Ponsar, G. Marxer, Ludwig Stehms, Geo. J. Weick, W. Weitling und C. Arnold.
Die Arbeiter Liga war nun verpflichtet, ihr Möglichstes zu thun [tun], um der Colonie [Kolonie] weiter zu helfen durch Zusicherungen von arbeitsamen, körperlich kräftigen Mitgliedern und durch Zusendungen der erforderlichen Gelder, um die Geschäfte der Colonie [Kolonie] erfolgreich zu führen.
Die Constitution [Konstitution] wurde gründlich abgeändert. Die Verwaltungskosten sollten nach dem Zeitgebrauch berechnet und bezahlt werden und in solchem Maßstabe, daß [dass] kein Beamter größeren Lohn erhielt wie andere, körperlich schwer arbeitende, fleißige Mitglieder oder Aktienbesitzer. Die Rauschmittel waren auf Anweisung an den Colonie [Kolonie]-Laden beschränkt, und ein jeder, der sein eigenes Heim hatte, mußte [musste] seine Gebrauchsgegenstände diesem Laden entnehmen. Die Waaren [Waren] und Produkte, welche die Gesellschaft kaufte und verkaufte, wurden ihnen zu Kostenpreisen berechnet mit 10 Prozent Aufschlag für Verwaltungskosten und Krankenpflege. Alle Mitglieder waren verpflichtet, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Wenn Jemand sich der Colonie [Kolonie] anschließen wollte, so mußte [musste] er vorher schriftlich angeben, zu welchem Zweig der Arbeit er angewiesen zu werden wünschte und welcher Arbeit er am besten vorstehen könnte, und zugleich wie viel er für seine Arbeit beanspruchte im Falle sein Aufnahmegesuch nicht an-genommen, oder er später ausgestoßen werden sollte.
Ein neues System wurde jetzt ebenfalls eingeführt für die Arbeiter und die Exekutiv-Abtheilungen [Abteilung] , welches darin bestand, daß [dass] solche freigebige [freigebigen] Mitglieder der Liga, welche der Colonie [Kolonie] einen Betrag von mindestens $100 auf zehn Jahre ohne Zinsen gäben, zu Vertrauensmännern ernannt werden und berechtigt sein sollten, bei allen wichtigen Angelegenheiten, wie Beamtenwahlen und der Verausgabung von Geldern mitzustimmen [mit zustimmen]. Diejenigen Trustees, welche in entfernten Städten wohnten, konnten ihre Stimmen durch Ersatzmänner abgeben.
Im Herbst 1853 gab es einen förmlichen Zulauf nach dem gelobten Land im Westen. Mitglieder der Liga in New York, Philadelphia und anderen Städten gaben ihre geschäftlichen und gesellschaftichen Verbindungen auf und vereinigten ihr Schicksal mit dem dieses
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neuen Colonial [Kolonial]-Unternehmens. Ungefähr 25 Mitglieder kamen, eine Mahlmühle zu bauen und, wenn solches für praktisch befunden, verschiedene Fabriken zu errichten. Die Begeisterung dieser neuen Ankömmlinge kannte keine Grenzen; sie hofften, ein neues Eldorado zu gründen. Unter den neuen Colonisten [Kolonisten] waren Wm. Ohse und Schill von Baltimore, Taffy von Louisville, L. Arnold und Maginn von St. Louis und Trumboldt, Hagen und Walzer von Cincinnati. Von Philadelphia kamen H.C. Grotenwohl und Louis Reuther, die beiden Letztgenannten als Repräsentanten von Vertrauensmännern und späterhin hochgeachtete Bürger von Elkader. Herr Reuther vertrat sein County zwei Jahre lang in der Staats-Legislatur.
Im November nach der Ankunft dieser neuen Mitglieder wurde Wilhelm Weitling zum Präsidenten gewählt. Er war Schneider von Profession, aber ein Agitator und höchst unpraktischer Mensch, obwohl er später den Knopfloch-Herstellungsapparat erfand, wofür ihm die Singer Nähmaschinen-Fabrik $20,000 zahlte.
Während der ersten paar Monate des neuen Regimentes schaffte die etwas difficile Maschinerie der Colonie [Kolonie] passabel, aber wie sich die allzuhohe [allzu hohe] Begeisterung legte, traten neue Schwierigkeiten ein, welche sich stets mehrten und welche der Präsident nicht im Stande war, zu beseitigen. Er war unfähig für die Stelle, und ehe zwei Monate verstrichen, waren die Unruhen und die Streitigkeiten in der Colonie [Kolonie] so heftig geworden, daß [dass] er eines schönen Morgens verschwand und östlich ging. In jedem Ort, wo er anhielt, soll er noch die ernstlichen und ehrlichen Bemühungen der übrigen Colonisten [Kolonisten] schlecht gemacht haben, und infolge dessen wurde die ferneren Geldsendungen eingestellt. Es waren damals 60 Personen in der Colonie [Kolonie], die man nun verhungern lassen wollte.
Im darauffolgenden Frühjahr und Sommer gingen viele der Colonisten [Kolonisten] fort. Forst, Walzer, Reuther und Grotewohl gingen nach Dubuque und die anderen wurden in alle Himmelsgegenden zerstreut.
Um diese Zeit kamen neue Glieder vom Osten in der Colonie [Kolonie] an. Unter diesen waren Adolph und Fred Peick, Frank Hofer und die Rufs - Vater und Sohn. Diese Männer, frisch von den aufregenden Versammlungen der Agitatoren, hatten unerschütterliches Ver-
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trauen in den Communismus [Kommunismus]. Bezüglich der Wirren in der Colonie [Kolonie] meinten sie, die richtigen Männer wären nicht an die Spitze gestellt, und daß [dass] die Colonie [Kolonie] doch noch ein Erfolg werden würde.
Vor dem Verlauf eines weiteren Jahres waren jedoch wieder Zwistigkeiten entstanden, die immer schlimmer wurden und das Leben in der Colonie [Kolonie] fast unerträglich machten. Dieses heilte manchen der neuen Ankömmlinge von seinen communistischen [kommunistischen] Ideen und trieb sie nach anderen Gegenden. Etliche gingen nach Dubuque, manche nach St. Louis und andere, wo immer ihr Schicksal sie hintrieb.
In der Nähe von Littleport am Volga-Fluß [Fluss] waren noch vor 20 Jahren die Ruinen eines Mühlendammes und das Fundament einer Mahlmühle zu sehen, welche die Colonisten [Kolonisten] in 1853 zu bauen angefangen hatten, an denen sie aber die Arbeit einstellten, als die Streitigkeiten zwischen den Colonisten [Kolonisten] und der Arbeiter-Liga ausbrachen.
Sie hatten hier schon von $7,000 bis $8,000 verbaut. Ihr Werk wurde später von den Fluthen [Fluten] der Volga von Jahr zu Jahr weggerissen, und jetzt ist wohl keine Spur mehr von demselben übrig geblieben.
Da die Colonie [Kolonie] keinen [keine] Staats-Charter hatte, fiel es nicht schwer, die richtigen Eigenthümer [Eigentümer] zu finden und das Eigenthum [Eigentum] auf solche Weise zu vertheilen [verteilen], daß [dass] diejenigen, welche einige Jahre ihres Lebens darauf verwendet hatten, die Liegenschaften zu verbessern, den Nutzen ihrer vieljährigen Thätigkeit [Tätigkeit] ziehen konnten. Das Land wurde den übrig gebliebenen Colonisten [Kolonisten] in 1859 vom County-Schatzmeister verkauft. Dieselben sind wahrscheinlich bereits sämmtlich [sämtlich] zu ihren Vätern gerufen worden, ihre Kinder aber bewohnen das in einer der schönsten Gegenden des Staates gelegene Land.
Am 20. Mai 1851 wurde die Liberty Colony, ebenfalls in Clayton County, gegründet. Deren Organisator war Christian Mullweber, Sr., von Dubuque. Die Vereins-Constitution [Konstitution] war ähnlich wie die der Communia Colony. Herr Wullweber wurde zum Präsidenten, Friedrich Koch zum Schatzmeister und Friedrich Uffel zum Sekretär gewählt. Die anderen Mitglieder waren: Geo. Koch, Chas. Schecker, Christian Krackow, Hein. Wuenzburg und Christian
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Paetow. Die Colonie [Kolonie] besaß ungefähr 1200 Acres Land. Wie alle Propagandisten jener Periode waren auch Herr Wullweber und seine Genossen vollständig überzeugt, daß [dass] ihr Unternehmen gelingen würde. Sie träumten von der Großartigkeit des Gedeihens der Colonie [Kolonie], die sie gegründet hatten. Jedoch, wie alle anderen derartigen Versuche jener Zeit, war auch dieser ein Mißgriff [Missgriff], hauptsächlich durch den Umstand, daß [dass] die Mitglieder nicht zusammen hielten. Es waren zu viele Köpfe und zu viele Ansichten da, und keiner wollte nachgeben. Am 20. April 1852, kaum ein Jahr nach der Gründung wurde die Colonie [Kolonie] aufgeben, und das Land, Häuser und Geräthschaften [Gerätschaften], alles tief verschuldet, an C. Thompson, Jr., für $1,575 verkauft.
Geschichte der Amana-Colonie [Kolonie] in Iowa County.
Nach dem, was der Leser in Vorgehenden über die verschiedenen
Versuche erfahren, das Coloniewesen [Koloniewesen], oder eigentlich das communi-
stiche Gemeinwesen in diesem Staate zu verwirklichen, wird eine Schil-
derung eines viel größeren und mehr erfolgreichen Versuchs, diese Ideen
durchzuführen, mit Interesse gelesen werden, speziell von denjenigen,
welche noch nie Gelegenheit gehabt haben, sich bezüglich derselben zu
informiren [informieren]. Dieser Versuch, der aber kein solcher mehr ist, sondern
eine seit einem halben Jahrhundert bestehende und zur Thatsache [Tatsache] ge-
wordene Realisirung [Realisierung] der kühnsten Träume früherer Communisten [Kommunisten], ist
die Amana Colonie [Kolonie] in Iowa County in diesem Staate. Dieselbe
nennt sich die „Amana Gesellschaft“ zu Amana, oder die „Wahren
Inspirationisten“, wie sich die Mitglieder selbst nennen. Amana liegt
an zwei Bahnlinien, an der Chicago, Rock Island & Pacific und
der Chicago, Milwaukee & St. Paul Eisenbahn, und besteht aus
sieben Dörfern. Die Ortschaften an der ersteren Bahn sind unge-
fähr 20 Meilen westlich von Iowa City und nur 11 Meilen östlich
von Marengo, dem Gerichtshof von Iowa County. Die Gesammt-
seelenzahl [Gesamtseelenzahl] der Colonie [Kolonie] wird sich gegenwärtig auf beinahe 2000 bezif-
ern, obwohl in den letzteren Jahren eine beträchtliche Anzahl des
jüngeren Volkes derselben nach Iowa City, Marengo, Des Moines
und anderen Städten Iowa's verzogen ist, da es lieber den Kampf
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um's Dasein draußen in der Welt aufnehmen, als länger in dem
alten stillen Heim der Colonie verweilen wollte, wo die Menschen
aller Nahrungssorgen enthoben sind und, wenn von keinem weiteren
Triebe [Trieb] oder Ehrgeiz beseelt, zufrieden leben können; denn Zufrieden-
heit ist die Verwirklichung des Glückes, nach welchem ein Jeder strebt.
Der merkwürdige Erfolg der Amana-Gesellschaft ist geeignet, auf
den ersten Blick die Ueberzeugung [Überzeugung] zu erwecken, daß [dass] Cabot, Fourier,
u.s.w [usw.]Recht hatten in ihren sanguinischen Behauptungen bezüglich der
Durchführbarkeit communistischen [kommunistischen] Lebens. Da es jedoch jenen Pro-
pagandisten nicht gelang, ihre Colonialversuche [Kolonialversuche] für die Dauer zu er-
halten, so muß [muss] man nach etwas Anderem [anderem] als deren Lehren suchen,
um die Ursache des Gedeihens und Fortschrittes der Amanaiten zu
ergründen. Die Inspirationisten waren, von den Führern abgesehen,
kein besonders gebildetes Völkchen. Sie waren meistens schlichte, aber
fleißige Arbeiter und hatten sich unter dem Druck der früheren Jahre
in Europa nebst dem deutschen Fleiß auch Sparsamkeit, Genügsam-
keit und Ausdauer angeeignet; diese Eigenschaften waren ihnen in der
That [Tat] angeboren. Das konnte man aber auch im Allgemeinen von der
Communia und der Liberty Colonie [Kolonie] sagen. Der Grund des festen
Zusammenhaltes der Amaniten mehr denn der aller andern Colo-
nien [Kolonien] liegt aber in ihrer Religion. Es ist das Wort Gottes, wie sie
es von ihren Vorvätern in der Pfalz und andern [anderen] Orten in Deutsch-
land gelehrt worden waren, und wie es ihnen heute noch von ihren
Vorgesetzten und Lehrern eingeprägt wird, daß [dass] sie wie Kinder einer
großen Familie, wie Brüder und Schwestern zusammenhält. Ihr
Glaube macht sie selig; sie haben keine Lebensbedürfnisse, welche
nicht in der Colonie [Kolonie] befriedigt werden können: sie haben, wenigstens die
Aelteren [Älteren], keine Sehnsucht nach dem weltlichen Leben mit seinem Auf-
wand und Firlefanz. Sie gehen einfach, aber gut und warm geklei-
det, ihr Essen ist gerade, was sie wünschen können, und ihre Arbeits-
stunden sind bedeutend kürzer, als wenn sie selbstständig wären und
in Konkurrenz mit der Arbeit Anderer kommen würden
Es war in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts, in 1707,
daß [dass] Eberhard Ludwig Gruber und Johann Friedrich Rock, zwei sehr
fromme Inspirationisten, welche ihre Lehren von den Mystikern, den
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drei Gebrüdern Pott in Hanau, welche die Sekte der „Wiedertäufer“
gegründet hatten, eingesaugt haben und dieselben verbesserten und in
1714 mit den Pott Gebrüdern, Gottfried Neumann und Johanna
Melchior, die Sekte der Inspirationisten gründeten, auf deren Glau-
ben, mit etwelchen Zusätzen und Aenderungen [Änderungen], die Amaniten heutzu-
tage noch stehen. Die Weiterverbreitung des neuen Glaubens nach
Sachsen, Bayern, Würtemberg [Württemberg], nach dem Elsaß [Elsass], Holland und anderen
Ländern, geschah unter heftigen Verfolgungen seitens der bestehenden
alten Kirchen und zwang die kleinen Schaaren [Scharen] Mystiker, Pietisten,
Mährischen Brüder, Dunker, Herrnhuter und dergleichen religiöse Re-
formisten ihr Vaterland zu verlassen und ihr Augenmerk auf Amerika
zu richten. Obwohl die Ersten schon in 1719 in Philadelphia anka-
men, so nahm [dauerte] es bis 1842[,] bis weitere Inspirationisten sich hierher
flüchteten. Während jener stürmischen Zeiten, nachdem Napoleon I.
von den deutschen und britischen Truppen unter Blücher und Welling-
ton seine letzte Niederlage bei Waterloo erlitten hatte, und während
der Sturmperiode in Frankreich und Deutschland, wo alle Gegenden
in dem alten Vaterland von Truppenmassen durchstreift und Alle mit
in's Militär gezogen wurden, welche ein Gewehr tragen konnten, raff-
ten sich die Inspirationisten zusammen, um ihr Heim, ihre Fami-
lie, ihre Rechte und ihren Glauben zu wahren. Unter diesen waren
nachbenannte Personen, deren Namen später in der Geschichte
dieses Landes verzeichnet wurden, nämlich: Johannes Heinemann, Wilhelm
Mörschell, Barbara Heinemann, M. Kraussert, Abraham Noe, Chri-
stian Metz, Peter Mook, Martin Bender, Wilhelm Nordmann, Jacob
Mörschell, Philip Beck, Peter Hammerschmidt, Gottlieb Ackermann,
Friedrich Müller. Philip Mörschell und Philip Sommer.
Am 26. Oktober 1842 kamen vier von den Obengenannten als
Abgesandte der Inspirationisten in New York an, um eine Gegend
auszusuchen, wo sich die verfolgten Leute niederlassen könnten. Die
vier waren Christian Metz, G. A. Weber, Wilhelm Noe und Gott-
lieb Ackermann, die dann sechs Meilen von Buffalo, 5000 Acker Land
zu $10.50 per Acker kauften und im Mai 1843 darauf eine Colonie [Kolonie]
gründeten, die sie Eben Ezer nannten, Eben, ein Stein und Ezer,
Hilfe, also „Stein der Hilfe“. Sofort wurden Hütten gebaut; auch
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wurde noch in demselben Jahre eine große Kirche und ein Schulhaus
errichtet, und die Colonie [Kolonie] zählte schon im Juni 1844 mehr denn 800
Glieder. Das Anwesen wurde zu klein für sie, weitere 4000 Acres
wurden angekauft. Auch wurden zwei Sägemühlen, zwei Tuchfabri-
ken und andere industriellen [industrielle] Betriebe in Gang gesetzt; aber dennoch
sahen die aufgeklärtesten unter ihnen ein, daß [dass] es besser für die Gesell-
schaft wäre, wenn sie weiter westlich gehen würden, wo das Land bil-
liger war, und wo sie nicht so nahe einer großen Stadt sein würden.
Denn sie dachten, ihre Kinder könnten von dem Stadtleben verblen-
det und der Gesellschaft abtrünnig gemacht werden. Somit wurden
in 1855 die Herren C. M. Winzenried, John Beyer, Jacob Wittmer
und Friedrich Heinemann beauftragt, westlich zu reisen, um eine Lage
für eine neue Colonie [Kolonie] zu finden, was zu dem Endresultat führte, daß [dass]
sie von Chicago nach Davenport und Muscatine gingen und von da
per Dampfboot den Iowa-Fluß [Fluss] hinauf bis nach Iowa City, wo sie
von der prächtigen Gegend in Johnson und in Iowa County förm-
lich entzückt wurden und beschlossen, einen Landstrich bei dem jetzi-
gen Homestead, einer der Ortschaften der Colonie [Kolonie], käuflich zu erwer-
ben. Sie kauften 18,000 Acres zu $1.25 bis $2.50 den Acre. Ein
paar Ansiedler kauften sie aus, für $3,50 bis $4.00 per Acre.
Dann folgte eine kleine Auswanderung von der Ebenezer-Gemeinde nach der
neuen großen Niederlassung. Noch denselben Sommer wurde an
einem kleinen See am Fuße eines Hügels eine Meile nördlich vom
Iowa-Fluß [Fluss] ein Städtchen angelegt. Die fleißigen Inspirationisten
gingen dann mit Eifer daran, den Urwald zu klären, die Prairie [Prärie]
urbar zu machen, und ihre Häuser zu bauen, solide, feste und dauer-
hafte Wohnungen; denn viele derselben stehen heute noch, nach mehr
als 40 Jahren, ebenso fest wie damals. Der Name, den sie diesem
ersten Ort gaben, ist Amana; er bedeutet: „bleibe treu““. Später
wurde fünf Meilen westlich vom alten Amana West-Amana ausgelegt
und in 1856 Süd-Amana, 6 Meilen südwestlich von Amana; Hoch-
Amana in 1857; Ost-Amana in 1860; Homestead in 1861, Mittel-
Amana in 1862 und in 1883 ein neues Süd-Amana, eine halbe Meile
südlich des alten Ortes, an der Chicago, Milwaukee & St. Paul Ei-
senbahn. Homestead war schon als ein Postamt und Ort ausgelegt
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worden, als die Colonisten das Land kauften. Es nahm [dauerte] zehn Jahre[,]
bis die letzten Mitglieder der Ebenezer-Colonie ihr Eigenthum [Eigentum] ver-
kauft hatten und nach Iowa kamen.
In 1857 wurde, wie schon anderwärts mitgetheilt [mitgeteilt], die dritte
Staatsverfassungs-Convention [Konvention] in Iowa City abgehalten. Es wurde
in der neuen Verfassung vorgeschrieben, daß [dass] „keine Körperschaft durch
Spezial-Gesetze creirt [kreiert] werden darf; daß [dass] die Legislatur jedoch durch
allgemeine Gesetze Vorsorge, treffen kann für die Organisirung [Organisierung] aller
künftig entstehenden Körperschaften.“ In Uebereinstimmung [Übereinstimmung] mit
dieser neuen Verfassungsbestimmung wurde Amana am 8. Dezember
1859 incorporirt [inkorporiert]. Die Incorporationsschrift [Inkorporationsschrift] wurde von nachgenann-
ten dreizehn Trustees unterzeichnet: Wilhelm Mörschell, Christian
Wilhelm, Theobald Heimburger, Jacob Wittmer, Samuel Scheuner,
Georg Walz, Charles Winzenried, Christian Metz, John Beyer, Jacob
Schnetzler, Joseph Elzer, Jacob Winzenried und Peter Holdy.
Einer in 1899 von den Professoren William Rufus Perkins, A.
M. und Barthinius L. Wirk, in englischer Sprache verfaßten [verfassten] und von
der Staats-Universität in Iowa City herausgegebenen „Geschichte der
Amana Gesellschaft“, sind viele der vorstehenden Angaben entnommen.
Aus derselben Quelle stammen folgende Einzelheiten über den Fort-
schritt der Colonie [Kolonie].
Als zwei große Mahlmühlen, eine in Alt-Amana, die andere in
West-Amana gebaut wurden, gab es keine anderen Mühlen näher als
in Iowa City und Cedar Rapids und auf eine Entfernung von fünf-
zig Meilen in westlicher Richtung gab es gar keine, so daß [dass] die Müh-
len für die Farmer der Umgegend von unschätzbarem Werthe [Wert] waren.
Dabei hatte ein jedes Dorf seine Sägemühle, Maschinenwerkstätte und
Kaufladen. Alles von großer Wichtigkeit für die Umgegend. Unter
den vielen ehrenwerthen [ehrenwerten] Pionieren von Iowa, welche für die jüngere
Generation gelitten und sich abgeplagt haben, können wir die Mit-
glieder der Amana-Gesellschaft finden, sagen die genannten Geschichts-
schreiber. Sie machten die Strapazen des Grenzerlebens durch, sie
arbeiteten fleißig und halfen den Staat zu dem bringen, was er heute
ist – einer der ersten der Union. Sie waren die ersten, welche Fabri-
ken bauten, und während andere später dasselbe thaten [taten] und fehlschlu-
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gen, hört man das Sausen der Maschinen in Amana noch, und wer-
den die Amana-Waaren [Waren] allenthalben in den Ver. Staaten verkauft.
Die Kattunfabrik wurde in Alt-Amana gebaut. Dieselbe ver-
fertigt 3000 bis 4000 Ellen Kattun täglich. Zwei Tuchfabriken wur-
den ebenfalls angelegt, eine in Alt-Amana und die andere in Mittel-
Amana, in welchen beinahe 3000 Ellen Wollenwaaren [Wollwaren] täglich fertig
gestellt werden, und diese stehen in allerbestem Ruf, weil sie nicht auf
„Stück-Arbeit“ in Eile, sondern langsam und sorgfältig gemacht wer-
den. Alles was von der „Colonie“ kommt, wird stets als das Beste
anerkannt. Nebst ihren Mahlmühlen haben die Amaniten Seifen-
und Stärkefabriken, und bis das unglückselige Verbotsgesetz kam, hat-
ten sie auch ihre eigenen Bier-Brauereien, die sie, um nicht mit den
Gesetzen in Conflikt (Konflikt) zu kommen, sofort nach Inkrafttreten desselben
einstellten und nicht wieder eröffneten. Sie ziehen aber ihren eigenen
Wein und dabei einen so guten, wie er nur irgendwo im Staate gezo-
gen [angebaut] wird.
Pepsin, ein allgemein bekanntes und vorzügliches Magenmittel,
wird hier von Herrn Conrad Schadt, einem gebildeten Chemiker, ver-
fertigt; er ist der erste, der dasselbe westlich von Chicago hergestellt hat.
Die Leute in der Colonie [Kolonie] sind allgemein gesund und kräftig; den-
noch wachen über ihren Gesundheits-Zustand drei Aerzte [Ärzte]: Dr. Win-
zenried in Alt-Amana, Dr. Hermann in Mittel-Amana und Dr.
Mörschell in Homestead, sämmtlich [sämtlich] gut geschulte Fachleute.
Die Präsidenten der Gesellschaft seit deren Uebersiedelung [Übersiedlung] nach
Iowa waren: E. M. Winzenried von 1855 bis 1881, J. Beyer von
1881 bis 1883, Friedrich Mörschell von 1883 bis 1889, Jacob Witt-
mer von 1889 bis 1891 und P. Trautmann von 1891 an.
Die dreizehn Trustees werden jährlich von den befugten Bürgern
gewählt; die Trustees wählen dann den Präsidenten, den Vize-Präsi-
denten und den Sekretär aus ihrer Mitte. Die Gesellschaft hat 80
Aelteste [Älteste], welche nach der geistigen Wohlfahrt der Gemeinde sehen und
abwechselnd die Gottesdienste leiten, welche Sonntags und Mittwochs [sonntags und mittwochs]
stattfinden, sowie die Gebetsversammlungen, welche allabendlich abge-
halten werden.
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Während des Rebellionskrieges richtete die Gesellschaft ein Gesuch
an den Congreß [Kongress] um Entbindung von der Militärpflicht. Der Con-
greß [Kongress] nahm darauf in 1863 ein Gesetz an, wonach ein Mann gegen
Bezahlung von $300 von der Militärpflicht befreit werden konnte.
Die Mitglieder machten sich diese Verordnung zu Nutze [zunutze], und der Re-
gierung wurde auf diese Weise ein hübsches Stück Geld zugestellt.
In 1867 starb Christian Metz, der Pionier und Hauptleiter der
Gesellschaft seit 1817, und in 1883 verschied Barbara Heinemann-
Landmann im 88. Jahre ihres Alters. Diese Zwei waren die Ein-
zigen, welche während des Bestehens der Gesellschaft in Amerika „in-
spirirt“ [„inspiriert“] wurden. Keiner wurde seither, wie die Vorgesetzten betheuern [beteuern],
inspirirt [inspiriert]; die Schriften, welche dieselben hinterließen, werden jedoch
von Zeit zu Zeit in den Versammlungen zur Erbauung und zum Troste [Trost]
der Mitglieder verlesen.
Der Glaube der Inspirirten [Inspirierten].
Die Amaniten glauben an die göttliche Eingebung der Bibel und
erachten dieselbe als den Grundstein ihres Glaubens, trachtend nach
der Lehre Christi und der Apostel zu leben.
Sie glauben, daß [dass] Gott zu allen Zeiten Verborgenes durch Visio-
nen, Träume und Offenbarungen enthüllt habe.
Sie glauben an die Inspiration und behaupten, daß [dass]dieselbe gegen-
wärtig gerade so gut stattfinde, wie in früheren Zeiten. Inspiration
nach ihrem Begriff ist ein übernatürlicher Einfluß [Einfluss] des Geistes Gottes
auf den menschlichen Geist, durch welchen Personen befähigt werden,
göttliche Wahrheiten zu lehren. Derjenige, welcher der Inspiration
unterworfen wird, „muß [muss] ein reines Herz, eine freie Seele ohne Vor-
urtheil [Vorurteil] haben, dabei sanftmüthig [sanftmütig] und dem göttlichen Willen gehor-
sam sein.“
Sie glauben, daß [dass] es falsche ebenso wie wahre Inspirationen gebe
und daß [dass] das Prophezeien nicht mit den Aposteln aufhörte.
Sie meinen, daß [dass] das Predigen der Hl. Schrift von der Inspi-
ration abhänge und sich auf keine Klasse oder Geschlecht beschränke.
Deshalb haben alle Mitglieder ein gleiches Recht im öffentlichen Ver-
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sammlungen zu reden, zu lehren und zu ermahnen. Sie meinen, daß [dass]
wenn Einer nicht vom richtigen Geist geleitet werde, kein System theo-
logischer Ausbildung ihn befähigen könne, die Hl. Schrift auszule-
gen Bei ihnen wird „der Heilige Geist von Innen und nicht von
Außen gesucht“.
Sie glauben an das Beten in Versammlungen, wie in ihrem
Kämmerlein. Es ist der „unwillkürliche Ausdruck der Seele, der von
keiner bestimmten oder vorgeschriebenen Formel gefesselt werden soll“.
Sie glauben nicht an die Dreieinigkeit als drei unterschiedliche
Personen, glauben aber ehrerbietig an Drei in Einem begriffen.
Sie glauben an kein Fegefeuer noch an ein tausendjähriges Reich,
noch an Vorherbestimmung.
Sie glauben an die Wiederauferstehung als eine Belohnung für
die Guten und Bestrafung für die Bösen.
Sie taufen nicht mit Wasser, denn sie glauben, daß [dass] die Taufe
rein geistig sein müsse.
Sie halten zum Abendmahl und gebrauchen dasselbe, aber nur
als ein Symbol einer inneren Speise und eines inneren Trankes mit
dem HERRN. Es wird zu keiner bestimmten Zeit und an keinem
bestimmten Platz gebraucht, sondern nach schweren Prüfungen und
Unglücksfällen zur Stärkung der jüngeren Mitglieder und zum An-
denken an das Leiden Christi. Wer an diesem Gebrauch Theil neh-
men [teilnehmen] will, muß [muss] zuvor mehrere Tage im Gebet verbringen.
Sie üben das Füße-Waschen und die Liebesfeste, wie es bei den
ersten Christen gebräuchlich war.
Sie glauben, der Krieg widerspreche der christlichen Lehre, d. h.
der Lehre Christi und der Apostel.
Eide werden bei ihnen nicht gestattet, da dieselben von Christus
verboten sind.
Sie gebrauchen Stimulanzen, sind aber gegen „frivole“ Unter-
haltungsspiele, welche den Geist von Gott abwenden.
In Versammlungen und zu Hause wird gesungen, musikalische
Instrumente sind jedoch verboten.
Ihre Kleidung ist schlicht und einfach.
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Ihre Begräbnisse sind einfach, ohne das Gepränge und den Auf-
wand vieler anderer Confessionen [Konfessionen]. Sie gebrauchen keine kostspielig-
gen Denksteine, sondern nur ein kleines, weiß angestrichenes Brett, wo-
rauf Name und Alter des Verstorbenen angegeben sind.
Sie glauben nicht an das Beten für die Verstorbenen, auch nicht
an äußere Kundgebungen der Trauer; das Andenken an die dahin-
geschiedenen Mitglieder wird aber mit mehr denn kindlicher Liebe in
den Herzen der Freunde bewahrt – was mehr werth [wert] ist, als die zur
Schau getragene Trauer gedungener Leichenbitter und alles Gepränge.
Der Communismus [Kommunismus] der Amana-Gesellschaft.
Der Communismus [Kommunismus] der Amana-Gesellschaft ist nicht mit den
communistischen [kommunistischen] Ideen Solcher zu verwechseln, welche behaupten, daß [dass]
keiner mehr haben solle, als der Andere, und daß [dass] es sozusagen ein
Verbrechen sei, Eigenthum [Eigentum] zu besitzen. Ihr Communismus [Kommunismus] ist viel-
mehr auf die Lehren Christi und seiner Apostel gebaut, und sie halten
somit, daß [dass] Religion das einzige Band ist, welches die Menschen in
wahrer Brüderschaft binden kann; daß [dass], wenn dieses die Grundlehre
einer communistischen [kommunistischen] Gesellschaft ist, dieselbe fortbestehen wird; daß [dass],
wenn Communismus [Kommunismus] von Solchen versucht wird, welche Gott ver-
schmähen oder von seinem Dasein und seinem Interesse an menschli-
chen Dingen Nichts wissen wollen, dann müsse er fehlschlagen; daß [dass] die
Vernunft allein ohne religiöse oder moralische Verpflichtung die Men-
schen in keine Gemeinde binden kann, welche dauerhaft harmonisch und
vortheilhaft [vorteilhaft] sein soll. Dieser religiöse Bund mag deshalb als die
wirksamste Ursache des merkwürdigen Erfolges der Amana-Colonie
erachtet werden.
Der Communismus [Kommunismus] der Amana-Gesellschaft ist auf praktischeren
Ideen basirt [basiert] als dies der Fall war bei den Versuchen anderer com-
ministischen [kommunistischen] Agitatoren. Er hat nichts Unmögliches aufgebürdet und
auch von Anfang an keine Luftschlösser gebaut. Die Vereinigung hat
biedere, fleißige und strebsame Menschen zu sich hingezogen und betrach-
tet dieselben nicht als Engel, sondern als Menschen und erwartet von
ihnen nicht zu viel. Andere communistische [kommunistische] Versuche scheiterten, weil
sie zu unpraktisch waren, zu viel Theorie und illusorische Ansichten zur
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Geltung bringen wollten, und gerade weil die Unternehmer den Gesin-
rungsgenossen [Gesinnungsgenossen], die allermöglichste Freiheit und Berechtigung zukom-
men lassen wollten, brach ihr Machwerk wie ein Kartenhaus zusam-
men. Die Inspirirten [Inspirierten] faßten [fassten] es praktischer an. Sie bauten erstens
ihren Communismus [Kommunismus] auf die Bibel, und mit der Macht des göttlichen
Wortes konnten sie viel mehr ausrichten, als die Andern mit schönen
Redensarten. Zweitens verwarfen die Inpirirten [Inspirierten] die demokratische
Idee der Regierung ihrer Gemeinde, wahrscheinlich nach dem Sprich-
wort „viele Köpfe, viele Sinne“ und führten eine Art Oligarchie ein,
in welcher nur einige Wenigen die Controlle [Kontolle] führten. Verwerflich
wie dieses Prinzip im Allgemeinen in weltlichen Regierungen wäre,
so ist es doch das, was das Meiste zum Zusammenhang der Amana-
Colonie [Kolonie] beigetragen hat, und da die inneren Angelegenheiten der Colo-
nisten [Kolonisten] Niemanden was angehen, so braucht man sich nicht darüber
aufzuhalten [aufzuregen]. Die Zeit wird kommen, denn Alles in der Welt ist ver-
gänglich, daß [dass] auch die Colonie [Kolonie] oder deren großes Vermögen in andere
Hände übergehen und von Andern controllirt [kontrolliert] werden wird. Soweit
waren sie abgeschlossen von der Welt: die Zunahme der Bevölkerung
jedoch und das Wachsthum [Wachstum] der Städte müssen nach und nach einen
sichtlichen Eindruck auf die Colonisten [Kolonisten] hinterlassen und trotz der Schran-
ken ihrer Religion und der strengen Controlle [Kontrolle] ihrer Aeltesten [Ältesten] werden
von Zeit Abänderungen im Sinne der Neuzeit und des Fortschritts
erforderlich gefunden werden.
Die deutsche Sprache ist die Sprache der Amana-Colonisten, und
das hat nicht wenig zum Zusammenhalten ihrer Gesellschaft beige-
tragen; denn durch Sprachenmischungen werden nicht nur Vereine, son-
dern sogar Familien veruneinigt und zerrissen.
Die einzelnen communistischen [kommunistischen] Regeln und Gebräuche der Ama-
na-Colonisten [Kolonisten] sind von den englischen Geschichtsschreibern der Uni-
versität wie folgt zusammengesetzt worden:
Frauen haben gleiche Rechte mit den Männern in Religionsan-
gelegenheiten. Bei der Beamtenwahl sind Stimmgeber sämmtliche [sämtliche]
männlichen Colonisten [Kolonisten], welche die Constitution [Konstitution] unterzeichnet haben[,]
und die weiblichen Colonisten [Kolonisten], welche über 30 Jahre alt und von kei-
nem männlichen Mitgliede [Mitglied] vertreten sind.
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Neue Mitglieder werden selten zugelassen; die Gesellschaft soll sich
möglichst ausschließlich auf dem Wege der natürlichen Bevölkerungs-
zunahme vermehren.
Wenn sich ein Mitglied der Gesellschaft anschließt, wird sein Ei-
genthum [Eigentum] den Verwaltern derselben anvertraut. In den Geschäftsbü-
chern wird ihm ein entsprechender Betrag gutgeschrieben. Sollte er
sich zu irgend einer [irgendeiner] Zeit entschließen, sich von der Gesellschaft zurückzu-
ziehen, so wird ihm das Geld, ohne Interessen [Zinsen], zurückerstattet. Im
Falle seines Todes fällt es seinen Erben zu.
Das Heirathen [Heiraten] wird gestattet; die Ehelosigkeit wird jedoch als
idealisch erachtet.
Wetteifer herrscht zwischen den Mitgliedern. Ein Jeder wünscht,
den Andern zu übertreffen. Am Schlusse [Schluss] des Jahres erhalten Die-
jenigen, welche mehr gethan [getan] haben als von ihnen erwartet worden
war, extra Anweisungen, und sie werden zu höheren Stellen befördert.
Für jede Person werden jährlich von $25 bis $75 ausgesetzt. Dieser
Betrag ist nur für Luxus-Artikel und die Empfänger geben dieses
Geld auf verschiedene Weise aus, doch wird es als eine Sache des
Verdienstes angesehen, wenn sie das Geld in den allgemeinen Fonds
legen und für sich aufbewahren lassen.
Eine jede Familie hat ihr eigenes Haus mit der vollsten mögli-
chen Freiheit bezüglich ihrer häuslichen Angelegenheiten. Die Kin-
der werden unter strenger, religiöser Zucht erzogen. Die Häuser sind
sämmtlich [sämtlich] beinahe gleich groß, so daß [dass] in dieser Hinsicht keine Fami-
lie Bequemlichkeiten vor den anderen hat. Um jedes Haus ist ein
Garten angelegt, den die Familie benutzen kann. In diesen Gärten
sind Blumen, Obst und Gemüse angepflanzt, und die Inhaber könnmen [können]
davon soviel [so viel] verkaufen wie ihnen beliebt. Dieser Flecken ist der ein-
zige, der [den] eine Familie ihr eigen nennen kann, und hier ist es, wie in
der Fabrik, wo ein Jeder seinen Nachbar zu übertreffen sucht.
In den Sommermonaten werden beinahe 300 auswärtige Arbei-
ter angestellt. Die Mitglieder sehen das nicht gern, da die Kinder
dadurch fremden Einflüssen ausgesetzt werden; sie sind aber gezwun-
gen andere Arbeiter anzustellen, da sie allein die Arbeit nicht bewäl-
tigen könnten. Die angestellten Leute werden ebenso freundlich be-
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handelt wie die Mitglieder, und die Arbeiter wissen diese Gutherzig-
keit zu schätzen, indem sie für die Gesellschaft um $5 weniger Monats-
lohn arbeiten, als die benachbarten Farmer für dieselbe Arbeit zahlen
müssen. In Anbetracht, daß [dass] die Colonisten [Kolonisten] fünfmal des Tages essen
ist es nicht zu verwundern, daß [dass] sie 16 Küchen in Amana, 10 in Home-
stead und eine entsprechende Anzahl in den sämmtlichen [sämtlichen] andern Dör-
fern haben und dabei vom Allerbesten zu essen und zu trinken bekommen.
Ein jedes Dorf hat seine Wäscherei und Bäckerei, seinen Metzgerla-
den, eine Butter- und Käsefabrik, und diese liefern täglich Waaren [Waren] in
den Häusern ab, gerade wie es in modernen Städten geschieht.
Die Schulen.
Die Amana-Colonisten [Kolonisten] halten viel auf ihr Schulwesen und gei-
zen nicht mit ihrem Geld bei der Erziehung ihrer Kinder, wohlbe-
wußt [wohl bewusst], daß [dass] dieselben sie später in der Geschäftsleitung, sowie in den
geistlichen Angelegenheiten ersetzen müssen. Der Schulbesuch ist obli-
gatorisch, und die Kinder müssen vom 7. bis zum 14. Jahre das
ganze Jahr die Schule besuchen. Die, welche zwischen 14 und 20
sind, müssen im Winter in die Abendschule gehen. Die Schulstudien
währen von 8 Uhr Morgens [morgens] bis Mittag. Der Nachmittag wird aller-
lei körperlichen Uebungen [Übungen] gewidmet. Es ist erstaunlich zu sehen, wie
viel Arbeit hier die Kinder unter 16 Jahren, es sind deren über 500,
in ein paar Stunden zu leisten im Stande sind. Die Einen werden
in der Gärtnerei unterwiesen, Andere werden in der Handhabung
von Maschinen und deren Herstellung unterrichtet, gerade das, wofür
das Kind die größte Neigung oder Anlage hat, um es zu seinem Lebens-
beruf zu wählen; so werden diejenigen, welche gut im Rechnen sind,
zu Buchführern und andere zu Leitern von Werkstätten und Fabriken
herangebildet. In den Schulen wird Deutsch und Englisch gelehrt,
jedoch wird selbstverständlich die deutsche Sprache im Unerrichterthei-
lung [Unterrichtserteilung] benutzt. Bei der Auswahl der Lehrkräfte ist man sehr vorsichtig.
Die Colonie [Kolonie] ist in unabhängige Schuldistrikte eingetheilt [eingeteilt] und erhebt
und verwendet ihre eigenen Schulgelder.
Ihr häusliches Leben
Die Colonisten [Kolonisten] leben sehr einfach. Was sie für Luxus betrach-
ten, würden Andere als zu den nöthigen [nötigen] Bedürfnissen gehörend erach-
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ten. Dabei aber sind ihre Speisen gesund und kräftig; auch schmack-
haft zubereitet. Ihre Tische sind mit dem besten Brod [Brot], dem besten
Fleisch und Gemüse besetzt.
Ihre Gärten weisen außerordentlich sorgfältige Kultur auf und
jeder Fremde, der dieselben sieht, ist entzückt davon. Ihre Häuser
werden streng rein gehalten; sie sind meistens vor 40 Jahren aus
Steinen gebaut worden und sind heute noch so gut wie damals. Die
Bretterhäuser sind nicht angestrichen und sehen veraltet aus. Ein
neuer Anstrich würde denselben nichts [nicht] schaden und dem streng einfa-
chen Sinn der Bewohner auch nicht. Die Versammlungshäuser, welche
den Colonisten [Kolonisten] zugleich als Lokale für gottesdienstliche Versammlung-
gen und Gemeinde-Berathungen [Beratungen] dienen, sind lange, schmale Gebäude;
innerhalb derselben ist Alles einfach – keine Bilder, keine Tapeten,
keine Altäre mit goldenen Leuchtern und keine gepolsterten Sitze. Die
langen, unangestrichenen Bänke sind durch vieles Waschen und Scheu-
ern weiß geworden. Schaut man sich in ihren Versammlungen um,
so sieht man keine Frauen in seidenen Kleidern oder mit Federn und
Blumen geschmückten Hüten, noch sucht eine die andere sonstwie im
Staat zu übertreffen. Die Andächtigen gehen still in ihren Sitz, die
Männer auf einer Seite und die Frauen auf der andern und blei-
ben ruhig und ehrerbietig darin bis zum Verlauf des Gottesdienstes.
Sie sind in drei Klassen eingetheilt [eingeteilt].
1) Die Aeltesten [Ältesten] und die „geistlich Gesinnten“;
2) Die Personen von mittlerem Alter und solche, die weniger
geistlich gesinnt sind;
3) Die Kinder und diejenigen, welche geringen Fortschritt in
der Religion gemacht haben.
Nach dieser Eintheilung [Einteilung] sitzen die Aeltesten [Ältesten] vorn, mit dem Gesicht
der Gemeinde zugekehrt; die Kinder auf den ersten Bänken und die
andern (2) hinter ihnen. Der Gottesdienst fängt mit stillem Gebet
an, worin ein Jeder für sich allein mit seinem Schöpfer communizirt [kommuniziert].
Für den Uneingeweihten ist es ein drückend feierliches Schweigen, wäh-
rend dessen man meint, daß [dass] keiner von ihnen athme [atme]. Dieses Schwei-
gen wird endlich durch einen der Aeltesten [Ältesten] gebrochen, der ein Lied an-
[Seite 113]
kündigt, welches ohne instrumentale Begleitung gesungen wird. Das
ganze Publikum singt harmonisch und mit voller Begeisterung, gerade
wie ein Vogel, der lange im Dunkeln gehalten wurde und plötzlich
an das helle Tageslicht gebracht wird und aus voller Freude seinen
Gesang ertönen läßt [lässt]. Nach dem Singen wird ein Kapitel aus der
Bibel verlesen, über welches dann irgend einer der Anwesenden spre-
chn [sprechen] darf. Darauf folgt ein Auszug aus einer „inspirirten“ [inspirierten] Predigt,
welche von der Zeit der Gründung der Gesellschaft her, aufbewahrt
worden ist. Dann wird noch ein Lied gesungen, und der Gottes-
dienst ist beendet.
Die Kleidung der Colonisten [Kolonisten] ist dieselbe, welche die deutschen
Bauern vor 200 Jahren trugen, mit ein paar Abänderungen aus Be-
quemlichkeitsrücksichten. In einem Lande wie Amerika ist ihre Tracht
natürlich auffallend, und wird dem Schönheitssinn der Städter kaum
entsprechen, jedoch stehen den Frauen der Colonie [Kolonie] die reinen weißen
Hauben oder schwarzn [schwarzen] Kappen recht gut, und bescheidene Farben wie
schwarz oder blau geben den Männern ein würdevolles Erscheinen.
Früher machten sie ihre Kleider selbst, jetzt aber, da dieselben so billig
sind, unterlassen sie das.
Ihre Religion verbietet ihnen, irgend einen Bedürftigen von der
Thüre [Tür] zu weisen. Landstreicher nehmen deshalb oft ihre Wohlthätig-
keit [Wohltätigkeit] wiederholt in Anspruch. Im Winter gehen dieselben von Dorf
zu Dorf und haben stets „mehrere Tage nichts zu essen gehabt“. Kom-
men dieselben wieder, so werden sie nicht, wie beim ersten Mal in
ein dazu bereit gehaltenes Haus gebracht und gut gefüttert, sondern
einfach aus dem Orte [Ort] gewiesen.
Andere gegenseitige Anreden als „Bruder“ und „Schwester“ giebt [gibt]
es in der Colonie [Kolonie] nicht. Obwohl, wie in allem Andern, einfach in
ihrer Redeweise, sind sie doch zuvorkommend und hilfsbereit, Fremden
gegenüber so gut wie gegen ihre eigenen Mitglieder. „Viel wird ge-
sagt,“ schreiben die englischen Geschichtsschreiber der Colonie [Kolonie], über die
düsterstrenge Frömmigkeit der Colonisten [Kolonisten]. Wer aber unter ihnen lebt,
wird davon wenig bemerken. Sie sind nüchtern und selbstbewußt [selbstbewusst];
sie haben aber ihre unschuldigen Unterhaltungen wie Andere und die
welche ein lebhafteres Temperament besitzen, werden deshalb nicht
[Seite 116]
gering geschätzt. Wenn man an ihren Wäschereien und Küchen vor-
bei geht, wo die Frauen thätig [tätig] sind, hört man unschuldiges, frohes
Lachen und dazwischen oftmals klangvolles Singen. Die Männer
in ihren Mühlen und Fabriken hört man öfters, wie sie bei ihrer
Arbeit ein Lied singen, welches sie von ihrer Mutter gelernt haben.
In den Gesichtern sieht man allenthalben eine gewisse geistliche Befrie-
digung ausgeprägt, und ein Fremder möchte glauben, daß [dass] sie sämmt-
lich [sämtlich] gleich aussehen. Das kommt wohl zum Theil [Teil] daher, daß [dass] die Ver-
einsmitglieder seit mehr denn einem Jahrhundert unter sich geheira-
thet [geheiratet] haben und deshalb mehr oder weniger verwandt mit einander
sind. Nimmt man dazu die weitere Thatsache [Tatsache], daß [dass] sie alle in gleicher
Weise denken und arbeiten, alle Freuden und Sorgen wie Mitglieder
einer Familie gemeinsam tragen, und daß [dass] sie die gleiche Tracht haben,
so ist es leicht zu verstehen, daß [dass] sie einander so ähnlich sehen.
Zum Schluß [Schluss] sagen die erwähnten Geschichtsschreiber; „Seit 200
Jahren haben sie als eine religiöse Gesellschaft bestanden. Seit bei-
nahe 50 Jahren haben sie den Communismus [Kommunismus] geübt und darunter
prosperirt [prosperiert]. Dieses ist die einzige communistische [kommunistische] Gemeinde in den
Ver. Staaten, welche von ihrer Gründung an bis zum heutigen Tage [Tag]
eine fortwährende Zunahme in der Mitgliederzahl und dem Eigen-
thum [Eigentum] aufweisen kann. Die glühenden Kohlen der Begeisterung, welche
Christian Metz und Barbara Heinemann anfachten, haben auf dieser
Seite des Oceans [Ozeans] fortgebrannt. Es scheint, daß [dass] die Lehren von
Spencer, Gruber und Rock, wie viele andere Lehren auf einen neuen
Boden gepflanzt werden mußten [mussten], um die besten Früchte zu tragen.
Von der Gründung der Gesellschaft an sind die Mitglieder stets Leute
von strenger Moral und unbeflecktem Charakter gewesen, welche sich
mit der Begeisterung des wahren Vertrauens an ihren Glauben klam-
merten und überzeugt von der Wahrheit ihrer Lehren, haben sie stets
nach einem himmlischen Ideal getrachtet.“
Die Amana- Gesellschaft zählt gegenwärtig in runder Zahl 1800
Mitglieder. Die Beamten der Gesellschaft sind: Präsident. Dr. J.
F. Winzenried. Vice-Präsident [Vizepräsident], Chas. Mörschell; Sekretär, Abraham
Noe; Aerzte [Ärzte]: J. F. Winzenried, Ch. Hermann, Wm. Mörschell und
Abraham Noe; Droguisten [Drogisten/Apotheker]: C. Schadt und A. Koch.
[Seite 117]
Die Icaria-Colonie [Kolonie]
Die Geschichte der Icaria Colonie [Kolonie] in Amerika ist eine sehr ereignis-
volle, aber zu weitläufig für dieses Buch. Sie ist dem communi-
stischen [kommunistischen] Geist des Franzosen Etienne Cabot entsprungen, der in 1849
mit 400 Colonisten [Kolonisten] in Amerika ankam, die eine Million Acres Land
in Texas ankauften und in mehreren anderen Gegenden der Union
großen Grundbesitz erwarben. So kamen sie auch in den Besitz von
Eigenthum [Eigentum] in Nauvoo, Ill., im Wert(he) von $65.00, welches die
Mormonen verlassen hatten, als sie nach Utah zogen. In Adams
County erwarben sie in 1852 über 3000 Acres Land, nahmen aber
erst in 1854 Besitz davon. Bald nach der Ankunft der Colonisten [Kolonisten] in
Philadelphia entstanden Zwistigkeiten, die sich in allen ihren Nieder-
lassungen wiederholten. Mehr als die Hälfte derselben kehrten nach
einigen Monaten wieder nach Frankreich zurück, enttäuscht über das
gelobte Land, aber mehr noch über die Unmöglichkeit gemeinsamen
Wirkens bei einem solchen Volke, wie die Franzosen es sind. Sie
wollten nicht nur Freiheit, sondern auch Gleichheit, und beinahe ein
Jeder wollte die Führerschaft haben. So entzweiten sie sich immer
mehr und mehr. Eine Colonie [Kolonie] nach der anderen wurde aufgelöst, und
so ging es auch der Colonie [Kolonie] in Adams County. Der Direktor der
ersten Colonisten [Kolonisten], die in 1854 kamen, hieß Chrisinger, und der erste
Präsident derselben zur Zeit als die in Nauvoo übrig gebliebenen
Colonisten [Kolonisten] in 1860 nach Iowa kamen, war A.A. Marchand. Diese
Organisation bestand bis 1879 und wurde dann in eine Genossenschaft
umgewandelt unter dem Namen: „Die Neue Icarische Gemeinschaft“,
die bis 1895 bestand und dann durch gegenseitige Uebereinkunft [Übereinkunft] auf-
gelöst wurde. Die letzte Verbindung war ein finanzieller Erfolg.
Herr E.F. Fettannier wickelte die Geschäfte ab zur Zufriedenheit
aller Betheiligten [Beteiligten], die Icaria-Colonie [Kolonie] aber war damit ein verfloge-
ner Traum.